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Den Urknall gab es wirklich (Teil 2): Das Licht aus der Vergangenheit

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Letzte Woche hab ich über den Urknall geschrieben und die Entstehung der Elemente. Denn das die Urknalltheorie – im Gegensatz zu ihren Konkurrentinnen – fähig ist die heute beobachtete Verteilung der Elemente im Universum korrekt zu erklären gehört zu den stärksten Hinweisen darauf, dass sie tatsächlich die Realität beschreibt. Damals waren es George Gamow und Ralph Alpher die herausfanden, wie beim Urknall Wasserstoff und Helium in genau den richtigen Mengen entstehen konnten. Ralph Alpher spielte aber auch noch eine weitere wichtige Rolle: bei der bisher eindrucksvollsten Bestätigung der Urknallkosmologie.

Während er mit Gamow an der Nukleosynthese arbeitete, fing Alpher außerdem an mit Robert Herman einen anderen Aspekt des Urknalls zu untersuchen. Die Entstehung von Wasserstoff und Helium dauerte ja nur wenig Minuten. Was geschah eigentlich danach?

Kurz nach der Elemententstehung war das Universum schon so weit abgekühlt, dass keine Kernfusion mehr stattfinden konnte. Es war aber trotzdem noch enorm heiß – etwa eine Million Grad! Das bedeutete, dass die Materie als Plasma vorliegen musste. Es war so heiß, dass die Elektronen nicht mehr an ihre Atomkerne gebunden waren und frei durchs junge All sausten. Die negativ geladenen Teilchen waren viel zu schnell um sich an die positiv geladenen Kerne zu binden. Neben dem Plasma aus Atomkernen und freien Elektronen gab es im frühen Universum noch Photonen. Jede Menge Photonen. Aber trotz all dieser Lichtteilchen hätte ein etwaiger vorhandener Beobachter nichts gesehen. Denn so ein Photon konnte im allgegenwärtigen Plasma kaum ein längeres Stück Weg zurücklegen. Immer traf es mehr oder weniger sofort auf eines der vielen freien Elektronen und wurde an ihm gestreut. Das ganze Universum war zu dieser Zeit also eine heiße, undurchsichtige Plasmasuppe.

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Plasma gibts auch in der Plasmalampe (Bild: Luc Viatour, CC-BY-SA 3.0)

Alpher und Herman überlegten sich nun was mit diesem Plasma passieren würde, wenn sich das Universum ausdehnt. Denn dann verteilt sich die vorhandene Materie ja zwangsläufig auf immer mehr Raum und wird dabei abkühlen. Das heisst aber, dass das die Materie irgendwann kühl genug gewesen sein muss so dass die Elektronen sich mit den Atomkernen verbinden konnten. Bei 3000 Grad wurde das Plasma instabil; es entstanden elektrisch neutrale Wasserstoff- und Heliumatome und die Photonen konnten sich endlich ungehindert ausbreiten: das Universum war durchsichtig geworden. Alpher und Herman berechnteten, dass dieser Zeitpunkt – den man heute “Rekombination” nennt – etwa 300000 Jahre nach dem Urknall stattgefunden haben muss (heute wissen wir, dass die Rekombination etwas später stattfand; etwa 379000 Jahre nach dem Urknall).

Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Den Berechnungen von Alpher und Herman zufolge hatte das Licht, das endlich freigesetzt wurde als die Rekombination stattfand eine Wellenlänge von etwa einem tausendstel Millimeter. Seit damals dehnt sich das Universum aber immer weiter aus und dabei wird auch die Wellenlänge des Lichts immer größer und größer (Das ist vergleichbar mit dem Dopplereffekt: bei einer sich bewegenden Schallquelle – zum Beispiel einem Krankenwagen mit Sirene – scheint die Wellenlänge kürzer zu werden wenn sich das Auto auf uns zu bewegt und der Ton klingt höher. Entfernt sich der Wagen, dann wird die Wellenlänge länger und die Sirene klingt immer tiefer). Heute sollte die Wellenlänge dieser “fossilen” Strahlung etwa einen Millimeter haben und damit im – für das menschliche Auge – nicht sichtbaren Mikrowellenbereich des elektromagnetischen Spektrums liegen.

Alpher und Herman kamen hier also zu einer sehr bemerkenswerten Schlussfolgerung: da heute von der Erde aus gesehen der Urknall überall am Himmel stattfand muss auch die Strahlung die nach der Rekombination frei wurde aus jeder Richtung des Himmels kommen. Es muss also eine kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung geben. Das war vor allem deswegen bemerkenswert, weil es eine echte Vorhersage darstellte. Wenn es den Urknall tatsächlich gegeben hat, dann muss es auch diese Strahlung mit genau der vorhergesagten Wellenlänge geben. Findet man sie nicht, dann ist auch das Urknallmodell Geschichte.

Die Arbeit von Alpher und Herman erschien 1948; fast gleichzeitig mit dem berüchtigten “Alpha-Beta-Gamma”-Artikel in dem Alpher und Gamow ihre Theorie zur Nukleosynthese erklärten. Und dann passierte erstmal längere Zeit nichts… Die vorhergesagte Hintergrundstrahlung wurde von den Kollegen kaum beachtet; niemand kam auf die Idee danach zu suchen und Alpher und Hermans Artikel geriet in Vergessenheit. Das lag vielleicht daran, dass Alpher und seine Kollegen eher Kernphysiker waren und die Astronomen dieses Thema zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich beachteten. Oder vielleicht lag es daran, dass man damals gerade erst anfing zu verstehen, wie man Himmelsbeobachtungen im längerwelligen Teil des elektromagnetischen Spektrums anstellte. Alpher, Herman und Gamow versuchten zwar immer wieder Astronomen davon zu überzeugen dass es sich lohnen würde, nach der Hintergrundstrahlung zu suchen. Aber sie hatten leider nie Erfolg.

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Die Horn-Radioantenne der Bell-Labs, gebaut 1959 (Bild: NASA)

Es dauerte bis 1963 bevor es Fortschritte in Sachen Hintergrundstrahlung gab. Da machten sich Robert Wilson und Arno Penzias daran, eine nicht mehr gebrauchte Antenne in ein Radioteleskop umzuwandeln. Beide arbeiteten nicht für eine Universität sondern für die Bell Labs. Die hatten die Antenne eigentlich gebaut, weil sie damit Signale von Telekommunikationssatelliten empfangen wollten. Das Projekt wurde dann aber eingestellt und Penzias und Wilson; beide ausgebildete Astronomen, erhielten die Erlaubnis einen Teil ihrer Arbeitszeit zu nutzen um den Himmel nach Radioquellen abzusuchen (erst kurz davor waren die ersten Radioquellen am Himmel entdeckt worden). Bevor sie damit beginnen konnten, mussten sie aber erstmal das Radioteleskop ordentlich in Schuß bringen. Dazu gehörte auch, sich mit dem allgegenwärtigen Rauschen zu beschäftigen.

Das stammt von allen möglichen Störquellen; z.B. diversen elektrischen Geräten. Normalerweise ist das Signal stark genug so dass man das Rauschen unterdrücken kann. Aber bei sehr schwachen Signalen kann es äußerst störend sein. Penzias und Wilson also machten sich daran, alle möglichen Störquellen zu eliminieren. Sie konnten das Rauschen auf ein Minimum reduzieren – aber da war etwas, dass sie nie in den Griff bekamen. Ein bestimmtes Rauschen war einfach nicht zu eliminieren. Sie untersuchten jedes Bauteil der Antenne ob es ein Eigenrauschen erzeugen könnte. Sie prüften alle Kabel, alle Lötstellen – sie haben sogar die Taubenkacke vom Teleskop geputzt (bzw. das “weiße, dielektrische Material” wie sie es offiziel nannten); alle dort nistenden Tauben eingefangen und weit weggeschafft. Die Vögel flogen aber wieder zurück und am Ende musste sie sich ihrer auf etwas terminalere Art und Weise entledigen. Aber nichts half. Als Penzias und Wilson beim besten Willen keinen möglichen Quellen mehr für das Rauschen einfielen gaben sie auf. Diese Mikrowellenstrahlung die aus jeder Richtung am Himmel gleichzeitig zu kommen schien war anscheinend einfach nicht zu elimineren.

1964 war Penzias auf einer astronomischen Konferenz und erwähnte dort ganz nebenbei die Probleme, die sie mit ihrem Teleskop und dem mysteriösen Rauschen hatten gegenüber einem Kollegen. Ein paar Wochen später meldete der sich aufgeregt bei Penzias zurück: er hatte gerade von der Arbeit zweier Kosmologen aus Princeton erfahren. Robert Dicke und Jim Peebles hatten – ohne von Alpher und Hermans Arbeit zu wissen – ebenfalls die Existenz einer kosmischen Hintergrundstrahlung vorhergesagt. Strahlung die genau die Eigenschaften des störenden Rauschens von Penzias und Wilson hatte. Penzias meldete sich dann sofort bei Dicke und erzählte ihm von der Entdeckung. Dicke kam passenderweise gerade aus einer Besprechung bei der es um den Bau eines Detektors für den Nachweis der Hintergrundstrahlung ging. Das konnte er sich nun sparen: die kosmische Hintergrundstrahlung war entdeckt! Dieses revolutionäre Ergebnis wurde 1965 veröffentlicht: der von Penzias und Wilson ist gerade einmal 2 Seiten lang und trägt den unspektakulären Titel: “A Measurement of Excess Antenna Temperature at 4080 Mc/s.”. Ihre Ergebnisse findet man gleich im ersten Satz:

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Die Urknalltheorie hatte eine konkrete Vorhersage gemacht und die Beobachtung von Penzias und Wilson hatte diese Vorhersage eindrucksvoll bestätigt. Aber noch war das Rennen nicht gelaufen. Kritiker der Urknalltheorie haben bald darauf hingewiesen dass es immer noch ein Problem gibt. Die beobachtete Strahlung war völlig gleichförmig und das bedeutete, dass auch die Materie im frühen Universum völlig gleichförmig verteilt gewesen sein muss. Denn wenn es damals kleine Unregelmäßigkeiten gegeben hätte, dann hätte das die Strahlung beeinflusst und wir würden heute aus solchen Regionen ein bisschen stärkere oder schwächere Strahlung sehen. Aber: es muss diese Unregelmäßigkeiten gegeben haben! Denn wenn damals die Materie tatsächlich völlig gleichmäßig verteilt gewesen wäre, dann hätten sich niemals gravitative Asymmetrien ergeben können und die Materie hätte nie angefangen sich zu Klumpen zu organisieren und zu größeren Strukturen zu wachsen. Es würde heute keine Sterne geben; keine Galaxien und keine Planeten. Die Hintergrundstrahlung muss also nicht nur vorhanden sein, sie darf auch nicht komplett gleichförmig sein.

Das Teleskop von Penzias und Wilson war allerdings technisch bei weitem nicht gut genug um solche kleinen Unregelmäßigkeiten in der Hintergrundstrahlung nachzuweisen. Und es war zweifelhaft, ob das vom Boden aus überhaupt gelingen würde. Denn unsere Atmosphäre filtert einen Großteil des elektromagnetischen Spektrums aus. George Smoot von der University of California in Berkely wollte das ändern. Er überlegte sich, wie man einen entsprechenden Detektor am besten möglichst hoch über den Erdboden bekommt. Zuerst probierte er es mit einem Flugzeug – aber das klappte nicht. Immer noch war die Genauigkeit der Messung nicht groß genug. Es musste ein Satellit her! Die Arbeit an COBE, dem Cosmic Background Explorer begann 1976 – und wie das bei Satellitenprojekten so ist sollte es sehr lange dauern bis er dann tatsächlich im All schwebte. Der erste Start war für 1988 geplant; an Bord eines Space Shuttles. Doch dann explodierte 1986 die Challenger und alle weiteren Raumfahrtprojekte wurden erstmal gestoppt. Es wurde überlegt ob man mit europäischen Raketen starten sollte aber da hatte die NASA etwas dagegen. Erst 1989 hat es dann endlich geklappt und COBE flog ins All. Die Auswertung der Daten war äußerst knifflig denn es zeigte sich, dass die Schwankungen in der Hintergrundstrahlung wirklich klein sein mussten. Nach der ersten Beobachtungsrunde fand man nichts und erst nachdem genügend genaue Daten eingelangt waren konnte man endlich feststellen: ja, die Hintergrundstrahlung schwankt tatsächlich! Je nachdem wo COBE am Himmel hinblickte war sie mal um den winzigen Betrag von 0.001% kleiner oder größer als der Durchschnittswert.

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COBEs Messungen (Bild: NASA)

Das war eine wirklich winzige Schwankung aber es reichte. Die Unregelmäßigkeiten in der Verteilung der Materie im frühen Universum waren so noch groß genug umzu erklären, wie daraus die heute beobachteten Strukturen entstanden. Darum war es auch ein großer Moment, als am 23. April 1992 George Smoot und sein Team bei einer großen Pressekonferenz ihre Ergebnisse bekannt gaben. Die Urknallkosmologie hatte ihre bisher größte Probe bestanden. Ihre Vorhersagen hatten sich so gut bestätigt wie man es sich nur wünschen konnte. 1959 waren laut einer Umfrage unter amerikanischen Astronomen nur 33 Prozent der Meinung dass die Urknalltheorie richtig ist. 24 Prozent hielten das Steady-State-Modell für richtig und der Rest war unentschieden. 1980 als die Hintergrundstrahlung schon längst zum etablierten Wissen gehörte gab es für das Urknallmodell 69% Unterstützung und 29% waren unentschieden (von Steady-State waren nur noch 2% überzeugt – selbst Hermann Bondi, einer der drei Gründer der Steady-State-Kosmologie lief zum Urknall über). Und als 1992 die COBE-Ergebnisse vorgestellt wurden gab es kaum noch Astronomen die an der Urknalltheorie zweifelten. Natürlich gab es auch Nobelpreise: 1978 bekamen Penzias und Wilson den Physikpreis und 2006 wurden George Smoot und John Mater für die Arbeit mit COBE ausgezeichnet.

Über den Urknall gäbe es noch viel mehr zu sagen. In den letzten Jahrzehnten wurde die Theorie immer weiter verfeinert und erweitert. Alan Guth entwickelte zum Beispiel die inflationäre Kosmologie dank derer wir heute den Ursprung der kleinen Schwankungen in der Verteilung der ursprünglichen Materie im Universum kennen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte…

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Die Hintergrundstrahlung, gemessen von Penzias & Wilson, COBE und WMAP (Bild: NASA)

Zum Schluss habe ich noch ein sehr nettes Zitat von Arno Penzias (gefunden im äußerst empfehlenswerten Buch “Big Bang” von Simon Singh (hier ist meine Rezension):

“Wenn sie heute abend ausgehen und den Hut abnehmen, wird Ihr Kopf ein wenig vom Big Bang erwärmt. Und wenn Sie einen sehr guten UKW-Empfänger haben und ihn irgendwo zwischen den Stationen einstellen, dann hören sie dieses Sch-sch-sch. Ein solches Rauschen kennen Sie sicher. Es ist eigentlich ganz beruhigend. Manchmal unterscheidet es sich nicht vom Merresrauschen. Von dem Geräusch, das Sie hören, stammt etwa ein halbes Prozent aus einer Milliarden Jahre entfernten Vergangenheit.”

Sehr cool!


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